Schon in Nepal Richtung indische Grenze schien die Dichte an Menschen und Verkehr merklich zuzunehmen. Nachdem der erste Abschnitt in Indien zwar sehr spannend, interessant aber auch sehr anstrengend war, musste ich mir eingestehen, dass ich etwas skeptisch dem zweiten Teil Indien entgegenblickte. Gerade die Ruhe und etwas weniger Menschen in Nepal habe ich sehr genossen und nun dachte ich an die unzähligen Menschen in Indien, welche nur darauf warteten, jeden unserer Schritte zu beobachten.

Nun sind wir in Imphal, der letzten Stadt in Nordostindien bevor wir in zwei Radfahrtagen die Grenze zu Myanmar überschreiten. Gerade herrscht ein Bann, da die lokale Bevölkerung mit einem neuen Gesetz nicht einverstanden ist was zur Folge hat, dass alle Läden geschlossen sind. Es ist somit einigermassen schwer nur schon etwas Früchte und Gemüse zu finden und der sonst ziemlich gross und üppig wirkende Markt war dunkel und leergefegt. Irgendwo mitten in der Leere fanden wir ein paar Frauen, sie schienen irgendwie übrig geblieben und konnten uns etwas Bananen und Kartoffeln verkaufen. Ein weiterer herumstreifender Mann konnte etwas English und so entstanden ein einfaches Gespräch und einige fröhliche Fotos zusammen. Diese und viele weitere ganz ähnliche Situationen haben wir in den letzten drei Wochen in Indien erlebt. Sie waren neben der wunderschönen Natur und hübschen Dörfer die wichtigsten Komponenten unserer Reise.

In Siliguri, Guwahati und nun in Imphal durften wir mit unterschiedlichen Menschen, welche wir über Warmshowers und Couchsurfing angefragt hatten, Zeit verbringen und geniessen. Spannend war, dass diese drei Orte scheinbar auch drei ganz unterschiedliche Lebensweisen in Indien wiederspiegeln. In Siliguri waren wir beim sehr lieben Partha zuhause, ein alleinstehender und selbständig arbeitender Webdevelopper in einer kleinen Wohnung. Er hat sich sein Leben genau so eingerichtet wie es für ihn stimmt und lebt im Gegensatz zu vielen anderen gerne für sich und hat nicht zum Ziel eine Familie zu gründen. Daneben waren wir in Guwahati bei Irani und ihrer Familie eingeladen. Sie besitzen ein eigenes Haus und scheinen in Indien in etwa der Mittelschicht anzugehören. Es war wunderschön gemeinsam zu Essen, zu diskutieren oder eine Hochzeit zu besuchen und so etwas Teil einer Familie zu sein. Zuletzt verbrachten wir zwei Tage in Imphal bei Binay und seiner Familie, welche in einfachen Verhältnissen leben ohne fliessend Wasser und unstetiger Elektrizität. Doch auch hier durften wir wunderbare Gastfreundschaft erleben. Vielen Dank an sie alle dass sie uns aufgenommen und uns an ihrem Leben einen Moment lang haben teilnehmen lassen.

Unterwegs auf der Strasse sind wir neben den geplanten auch unzählige Male ganz spontan mit Menschen in Kontakt gekommen. Zu Beginn in den noch dicht besiedelten Gebieten von West Bengalen und Teilen von Assam war es zwischen all den kleinen Dörfern und Feldern oft schwierig einen Platz zum Zelten zu finden. So fragten wir einige Male mit Händen und Füssen bei Bauern nach, welche uns gerne eine Ecke neben ihren Häusern oder auf dem Feld zur Verfügung stellten. So fanden wir uns einen Abend lang umringt von 20 bis 30 Leuten, welche gespannt jeden unserer Schritte verfolgte und sich über unsere Geräte wunderten. Dabei zeigte sich auch eine lustige Regel, welche vor allem von den jeweiligen Frauen durchgesetzt wurde und zwar wird beim Essen nicht gestört. In diesen Momenten zog sich die Menschenmenge wieder etwas zurück um aus 50 Metern Entfernung auf den nächsten spannenden Moment zu warten. Ganz ehrlich – in diesen Momenten war ich öfters froh keine Weltberühmtheit zu sein, so weiss ich doch, dass es wieder ein Ende haben wird mit dem beobachtet werden.
Nicht ganz alle Begegnungen waren jedoch witzig oder erfreulich. Gerade Motorradfahrer auf der Strecke waren immer wieder mühsam, wollen sie doch während dem Fahren auf eher schlechten Strassen und viel Verkehr immer wieder irgendwelche Fragen stellen. Auch der hunderttausendsten Frage nach einem Selfie begegne ich nun oft eher ablehnend. Gerade auch wenn es nur um ein Trophäenfoto geht und nicht darum wirklich miteinander in Kontakt zu kommen.
Einen Abend zelteten wir etwas abseits von Dörfern auf den Feldern und hofften auf wenig Besuch. Jedoch waren wir zu schlecht versteckt und so kamen immer wieder Leute vorbei. Zuletzt in der Dunkelheit auch noch vier junge Männer. Sie konnten kaum English und so zogen drei der vier bald wieder ab. Der letzte meinte zu mir ich solle ihm mein Smartphone geben. Etwas verständnislos meinte ich nur, dass es mein Telefon sei und reagierte nicht weiter. Julia stand jedoch auf und gab dem Jungen zu verstehen, dass es jetzt höchste Zeit sei, das Weite zu suchen und zwar zu seinem Besten. Erst dann begriff ich, dass es wohl ein plumper Versuch war, mein Telefon zu klauen. Witzig war es jedoch schon ihm zuzuschauen wie er abrauschte nachdem wir aufgestanden waren und er gemerkt hatte, dass wir beide einen Kopf grösser waren als er.

Die Natur veränderte sich stetig bis sie mehr und mehr in Hügel überging. Gerade der Staat Nagaland befindet sich ziemlich komplett in Hügeln und war zu unserer Überraschung fast komplett christlich. An vielen Ecken befanden sich Baptistenkirchen und Gemeinden. So fanden wir auf unseren letzten Etappen vor Imphal Unterschlupf bei einigen Gemeinden.

Wir denken zurück an den Beginn und die Grenze von Nepal und Indien und merken, dass wir doch ziemlich überrascht sind. Überrascht davon, dass unsere Vorurteile zwar teilweise eintrafen und doch die Zeit gerade mit den Menschen noch einmal wunderschön war und wir die Begegnungen genossen haben.

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